Donnerstag, 24. September 2015

Der Kopf (6.Sitzung)

Es ist immer wieder spannend für mich, welches Thema mir von meiner Therapeutin eingegeben wird.
Es entwickelt sich so langsam nämlich schon eine Art Routine; Kontakt zum Untergrund(meiner Liege) aufnehmen, mich Entspannen, den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Atmung legen und dann eine ganze Zeit lang das intensive Atmen.
Nach dem Atmen, wenn ich wieder ganz normal und ruhig atmen soll und ich in diesen Zustand des "Segelns" gleite kommt ja immer erst der Konkrete "Auftrag" für die spezifische Reise.
Wie bereits vorher erwähnt hab ich diesen oftmals einfach direkt wieder vergessen; heute hab ich aber schon (halb, weil ja doch schon sehr entspannt) Aufmerksam darauf gewartet.
Er lautete:
"Gehe in ein konkretes Leben in welchem es um deinen Kopf geht!"

Innerhalb weniger Sekunden ratterte mein Kopf natürlich wieder verschiedenste Szenarien durch - was wäre wohl das schlaueste, schönste, passendste was ich dazu sagen könnte. Wieder mal musste ich mich also bewusst dazu drängen mein Denken einfach beiseite zu lassen, was mir dann auch gelang (trotzdem hatte ich schon eine Antwort gefunden: Professor würde doch ideal passen).

Jedenfalls ließ ich mich wieder einfach in meine Gedanken fallen und nahm das erste starke Bild was kam ... einen Lastwagen.

Ich sage noch. .. "Hmm, dass hat jetzt irgendwie nichts mit dem Kopf zu tun."; aber Marika bestätigt mich darin nicht darüber nachzudenken, sondern es einfach fließen zu lassen.

Ich war also Lkw Fahrer.
Das Bild meines Führerhauses ist deutlich vor mir - mein dicker Bauch, Vollbart, meine Jeans (auch nicht ganz so sauber und neu), mein Holzfäller Hemd und jede Menge verschieden kleine Andenken  von all den Orten an denen ich schon gewesen bin die überall Rumhängen  (sorry für alle Klischees, so kamen die Bilder nun mal).
Als Ladung habe ich einen Kühlwagen mit Schweinebäuchen angehängt.
Ich fühle mich extrem sicher hier, es ist geradezu mein Zuhause.
Überhaupt fühle ich mich "unbeschwert". Dieses Wort trifft es noch am ehesten. Ich weiß wo ich hin will, wie ich dorthin komme und auch sonst kann mich nix mehr schocken auf meinem Weg.
Ich komme am Abend an einem mir gut bekannten Rasthof an und fühle mich auch hier absolut in meiner Welt. Ich dusche und verbringe meinen Abend mit anderen Truckern bei einem deftigen Mahl und einigen Bierchen.
Als ich abends dann in der Koje meines Trucks liege fühle ich mich auch recht zufrieden.
Ein paar Gedanken über diejenigen Dinge und Erfahrungen welche ich verpasse, kommen aber schon hoch, so etwas wie Familie und eine tiefere Sinnhaftigkeit meiner Arbeit.
In solchen Situationen lese ich immer wieder ein paar schlaue Bücher und füttere mein Hirn mit Mathematik und Philosophie.
Doch im Endeffekt kann ich meine Gedanken auch schnell wieder vergessen und dann auch gut Einschlafen.
Am nächsten Tag bin ich "on the road again".

Beim späteren betrachten dieses Gefühls, stundenlang einfach nur zu fahren - auf einer nicht Endenden, Schnurgraden Strecke bei gleichem Tempo dahin zu fließen, hat schon etwas von Auflösung und Wegfall jeglicher Gedanken und anstrengender Probleme.

Ich fühle mich also ganz wohl dabei, recht stupide die Stunden auf der Strasse runter zu reißen. 
Marika schickt mich also in dieser Reise weiter nach vorne, zu einem Punkt an dem etwas passiert.

Nach kurzem hinein fühlen kommt auch das entsprechende Bild, nämlich wie ich nach einem nicht selbst verschuldeten, schweren Unfall mit gebrochenen Armen, Beinen, ein paar Rippen und einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus liege.
Hier fühle ich mich absolut rastlos - ich will wieder auf die Piste. Auch weil mich hier niemand besucht möchte ich lieber wieder zu meiner "Art Familie" auf den Rasthöfen.
Um meinen Verstand zu beruhigen lenke ich mich mit Fernsehen und einschlägigen Zeitschriften ab.
In dieser Zeit bin ich durch diesen Schicksalsschlag dazu gezwungen mein Leben zu überdenken. Ich hätte auch Bibliothekar werden können, denke ich mir.
Doch nach meiner Genesung zieht es mich sofort wieder auf meinen Bock zurück.

Da ich mit Marika in dieser Sitzung ein sehr langes Vorgespräch geführt habe (muss ja auch mal sein dürfen) war die Reise etwas kürzer; schön und wichtig finde ich aber sowieso immer auch die Nachbesprechung, nach einer Traumreise.

Als erstes hat sie mir klar gemacht, dass ich das Thema doch wieder voll getroffen habe, ich habe halt die andere Seite derselben Medaille angesprochen. Ich dachte es müsste um die hauptsächliche Nutzung des Kopfes gehen (wie eben bei einem Professor oder ähnlichem) - naja das mit dem "Müssen und Sollen" muss ... äh sollte ... ich meine möchte ich mir sowieso noch abgewöhnen.
Diese Reise hat sich also einfach um das Abschalten des Kopfes gedreht.

Gekringelt vor Lachen haben wir uns besonders bei dem von mir absolut unbedacht geäußerten Bildes meiner Ladung mit den Schweinebäuchen.
Das Schwein steht ja auch als Symbol für das Glück (Schwein gehabt) und der Bauch steht für die Gefühle --> ich hab also meinen Kopf vorne im Führerhäuschen abgestellt und eine ganze Ladung Glücksgefühle im Schlepptau! Da muss man erstmal drauf kommen!

P.S.: Ich möchte an dieser Stelle nur kurz meinen Respekt für alle Fernfahrer äußern!
Ich benutze in meinen Bildern natürlich vieler Klischees für welche ich mich auch nicht entschuldigen brauche - sie sind nun einmal allgegenwärtig; doch weiß ich im wachen und bewussten Zustand sehr wohl, dass die Arbeit die diese Menschen gewählt haben durchaus kein Zucker schlecken ist. Ich habe mich hier halt einfach des für mich idealen bzw. romantischen Bildes bedient.

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